Gerade einmal ein halbes Jahr ist die neue Abteilung des „Club“ alt – und doch hat sie einen Traumstart hingelegt. Stand 31. Dezember frönten bereits 30 Mitglieder dem faszinierenden und hochdynamischen Sport. Der ist hierzulande (noch) weitgehend unbekannt, während er in Irland, Großbritannien, dessen früheren Kronkolonien Australien, Südafrika oder Neuseeland, aber auch in der Südsee (Fidschi holte im 7er-Rugby 2016 und 2020 olympisches Gold), in Teilen Südamerikas, in Frankreich, Italien oder Georgien den Status eines National- oder wenigstens Volkssports genießt.
Die grundlegende Idee des Spiels ist, einen ovalen, gut 30 Zentimeter langen Ball im gegnerischen Malfeld abzulegen oder durch die beiden 5,60 Meter auseinander stehenden Malstangen zu kicken. Der Ball selbst muss von einem Spieler getragen oder nach hinten zu einem Mannschaftskollegen gepasst werden, die Verteidigung versucht, den Ballträger – und nur ihn – mit einem „Tackle“, dem Umklammern und Halten unterhalb der Schulterlinie, aufzuhalten oder zu Boden zu bringen.
Das alles folgt klaren Regeln, die vom Schiedsrichter konsequent angewendet und von den Spielern in aller Regel widerspruchslos hingenommen werden – schließlich dienen die Vorgaben in allererster Linie ihrer eigenen Sicherheit. Der oft strapazierte Begriff der „Fairness“ ist im Rugby ebenso Gesetz wie der Respekt für Gegner und Referee.
Auch in der Cittaslow ist das der Legende nach 1823 von einem gewissen William Webb Ellis im mittelenglischen Rugby „erfundene“ Spiel auf einem guten Weg, weiß Alexander Michl: „30 Mitglieder sind – auch angesichts der Beschränkungen durch Corona – für sechs Monate Aktivität gar nicht schlecht“, sagt der frühere Bundesligaspieler und Vorsitzende des Vereins zur Förderung des Rugbysports im Nürnberger Land, der zugleich die entsprechenden Abteilungen beim „Club“ und TV Lauf leitet. Für ihn nicht weiter überraschend: „Rugby ist der großartigste Sport überhaupt, eine stets faire Mischung aus Fußball, Handball und Judo“. Davon überzeugten sich beim ersten Auftritt der jungen Abteilung Mitte Oktober in Hersbruck über 100 Zuschauer (wir berichteten) .
Einziges Manko: Während viele Kinder und Jugendliche ins Rugby „reinschnuppern“, sei der Zulauf bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren eher verhalten, sagt Michl. Entsprechend kann er bei der männlichen U 18 im Frühling eine Spielgemeinschaft aus Lauf und Nürnberg in den Spielbetrieb schicken, und auch bei der U 14, U 12 und U 10 meldet er Teams.
Gut läuft es auch bei den Frauen und der weiblichen Jugend, sagt Michl. Zwar hätten bei Mannschaften noch viel Lehrgeld bezahlt, was aber „bei den guten Gegnerinnen und unseren jungen Anfängerinnen nicht anders zu erwarten“ gewesen sei. Immerhin: Die Tendenz zeigt klar nach oben.
Bei den beiden Männerteams will der Ehrenvorsitzende des Rugby Verbands Bayern, der in seiner aktiven Zeit auch für Exiles Stockholm auflief, dagegen demnächst „deutlich kleinere Brötchen backen“: Mit dem vorhandenen Kader sei es unmöglich, in der Regionalliga und der Bayernliga anzutreten. Die aktuelle Spielgemeinschaft aus Hersbruck, Lauf, Bamberg und Bayreuth funktioniere zwar recht gut, nicht zuletzt wegen der großen Distanz zwischen den vier Städten hält er es mittel- und langfristig für sinnvoller, für die neue Saison eine passendere Lösung zu finden.
Dabei spielt die Cittaslow für Michl eine zentrale Rolle – habe er doch in seiner langen Karriere noch nirgends so viel Hilfsbereitschaft, Interesse und Unterstützung seitens Vorstand, Platzwart, allen (Fußball)Trainern und sonstigen Mitgliedern erlebt wie beim 1. FC Hersbruck: „Das ist bestimmt der 15. Verein, in dem ich selbst gespielt oder bei dem ich Aufbauarbeit geleistet habe.“ Das solle das Engagement beim TV Lauf ausdrücklich nicht schmälern, sagt er, aber „Hersbruck ist halt doch noch einmal eine Nummer größer“.
Wie um dieses Statement zu untermauern, nennt Michl gleich eine ganze Reihe an Beispielen, warum er voller Überzeugung sagt: „Hersbruck ist anders“ – sowohl in Bezug auf den „Club“ als auch auf das Paul Pfinzing Gymnasium, wo er jederzeit in einer Sportstunde Schüler für Rugby begeistern darf: „Brauchen wir Trikots, heißt es: Klar, beschaffen wir. Brauchen wir Hallenzeiten – sag mir einen Tag, dann habt ihr welche. Der Platz entspricht nicht den internationalen Abmessungen, da fehlen drei Meter? Dann drehen wir den bei nächster Gelegenheit etwas diagonal, dass es genau passt. Rugbystangen und Polster? Schaffen wir zeitnah an. Flutlicht ist schwach? Wird so schnell wie möglich auf LED umgestellt. Ihr habt ein Spiel? Selbstverständlich markiere ich den Platz für euch ...“
Vielsagend sei auch dieses Beispiel: Eine Mutter kam während des zweiten Trainings ihrer 15-jährigen Tochter zu Michl und sagte: „Wenn ihr was für das Team braucht, wir haben eine Firma und sponsern euch, ihr müsst bloß sagen was wir kaufen sollen ...“
Eine ähnliche Begeisterung von Seiten neuer Spieler und Spielerinnen wünscht sich Michl auch heute Abend beim Trainingsauftakt in Hersbruck. Um 19 Uhr könne in der großen Halle des Gymnasiums jede(r) gerne mal ausprobieren, welchen Spaß der Kampf um den ovalen, gut 30 Zentimeter langen Ball macht. Es gilt 2G plus, ausgenommen sind „Geboosterte“ und Jugendliche unter 18, die in der Schule getestet wurden. „Aber Vorsicht“, warnt Alexander Michl, „Rugby hat Suchtpotenzial.“ Von zehn Leuten, die reinschnuppern, bleiben erfahrungsgemäß sieben“, weiß der erfahrene Coach.